In diesem Moment fiel mir ein, dass mir vor ein paar Wochen der Scheibenwischer von meinem roten VW Jetta, den mir meinte Tante inklusiv künstlicher Tigerfellsitzbezüge geschenkt hat, auf der Autobahn abgebrochen war. Diesen Umstand war es zu verdanken, dass sich mein Auto in ein Schönwetterauto verwandelt hatte, das ich nur noch bei schönstem Wetter fuhr. Bei sämtlichen Versuchen den Scheibenwischer zu reparieren scheiterte ich jämmerlich. Zum Schluss legte ich die Hand auf mein Auto um für Heilung zu beten (wie die amerikanischen Prediger). Am nächsten Morgen war wie durch ein Wunder nichts passiert. Der Scheibenwischer hing immer noch wie ein verdorrter Zweig links neben meinem Rückspiegel.

Ich sagte also meiner Schwester, dass es ein kleines Problem gäbe, das aber nicht relevant sei solange es nicht regnete. Als ich die beiden abholte waren sie wie üblich zu spät dran. Wir machten uns auf den Weg. Der Freund meiner Schwester – wir nennen ihn liebevoll Bertelchen – war schon sehr nervös. Seine Nervosität äußerte sich bei ihm in Form von Durchfall. Während wir gemütlich der Autobahn fuhren merkte ich, wie sich die Spannung im hinteren Teil des Wagens aufbaute, da Bertelchen befürchtete seinen Flug zu verpassen. Ich hingegen fürchtete, dass sich diese kleine Wolke über uns eventuell entleeren könnte. Als die ersten Regentropfen auf den Wagen prasselten und Bertelchen fragte warum ich den Scheibenwischer nicht einschaltete beschloss ich ihm die Wahrheit über mein vernachlässigbares Problem zu erzählen, während ich auf dem Pannenstreifen zum Stillstand kam. Bertelchen begann sofort grün anzulaufen. Er wusste nicht ob er weinen oder hinter den nächsten Busch sein Durchfall Problem lösen sollte, das jetzt offensichtlich immer mehr in den Vordergrund rückte.

Um die Sache zu entschärfen überlegte ich kurz was zu tun sei. Da kam mir der Geistesblitz, eine Idee von epochaler Tragkraft, die nur einem Genie wie mir einfallen konnte. Also schrie ich: “Ich habe die Lösung für unser Problem!”. In Bertelchens Gesicht zeichnete sich so etwas wie Hoffnung ab. Also begann ich meinen kurzen, aber höchst innovativen Plan mit Begeisterung zu erläutern. “Wir beten einfach, dass es aufhört zu regnen!”. Bertelchen war kurz vor einem Herzinfarkt. “Das ist dein Plan???” schrieb er in blanker Verzweiflung um kurz danach in eine ernste Depression zu verfallen. Der Kleinglaube meine Reisebegleitung war erschütternd. Bertelchen hatte inzwischen seine Durchfall Probleme nicht mehr unter Kontrolle. Dies war leider nicht mehr zu überriechen. Meine Schwester amüsierte sich über ihren Freund, was die Laune von Bertelchen nicht verbesserte. Also startete ich mit einem kurzen Stoßgebet, um mein Regenproblem zu lösen, während von Bertelchen nur noch ein Wimmern zu hören war. Und siehe da, der Regen hörte augenblicklich auf.

Wir konnten unsere Fahrt zum Flughafen fortsetzen und Bertelchen erreichte mit meiner Schwester den Flug pünktlich. Auf der Heimfahrt versuchte ich zu ergründen warum der Scheibenwischer noch nicht angewachsen war, kam aber zu keinem schlüssigem Ergebnis, so dass ich den Gedanken vertagte. Einige Wochen später rief mich Bertelchen an um mir mitzuteilen, dass seine liebe Tante verstorben sei und in der Erbmasse ein 8 Jahre alter Opel Omega (60.000 km) sei, den er billig verkaufen würde. 2.500 Euro erschien mir ein fairer Preis. Offensichtlich war die Fahrt zum Flughafen für Bertelchen doch etwas zu viel gewesen, da er sich in dieser Sache sehr bemühte, sich aber später weigerte mit dem Auto zu fahren das zufälligerweise die selbe Farbe wie mein geliebter Jetta hatte. Für mich war es ein Geschenk des Himmels, da der Scheibenwischer trotz mehrerer Gebete noch nicht angewachsen war und ich dringend ein Verlobungsgeschenk für meine Frau brauchte. So wechselte der Opel Omega seinen Besitzer. Den Jetta habe ich an jemand mit weniger Gebetserfahrung, dafür aber mit mehr handwerklichem Talent verschenkt. Bertelchen konnte sich nach 3-4 Jahren wieder in ein Auto setzen das rot war. Und ob sie es glauben oder nicht – diese Geschichte ist wirklich wahr!

ReisenÖsterreichAuf dem Weg zum Flughafen mit Bertelchen