In nur 23 Monaten wurde aus einer Sumpflandschaft in Wrzenia in der Nähe von Poznan (ehemals Posen) in Polen ein komplettes Autowerk auf etwa 4.000 in den weichen Boden gerammten Pfählen errichtet. Auf 220 Hektar Grundfläche entstanden hier Produktionshallen mit einer Größe von 380.000 m². Nur um das Regenwasser vom Dach abzuleiten, musste ein Entlastungsteich angelegt werden. Produziert wird hier seit Oktober des Vorjahres derzeit ausschließlich der neue Crafter, der allerdings in 69 Versionen. Drei Längen, drei Dachhöhen, Fronttrieb, Hecktrieb und Allrad, längs oder quer eingebauter Motor, Kastenaufbau, Pritsche, reines Fahrgestell und seit neuestem ein Kombi für den Personentransport, alles ist möglich. Zukünftig will man sich auch noch um Sonderaufbauten, wie etwa für Rettung, Feuerwehr und Polizei kümmern, eine Sache die meist noch von Fremdfirmen erledigt wird.
Obwohl die schiere Größe des Werkes wirklich beeindruckend ist, wird hier „nur“ zusammengebaut. Das bedeutet, dass es kein großes Lager gibt, sondern etwa 45 Zulieferer, die meisten ebenfalls aus Polen das benötigte Material „just in time“ zur Verfügung stellen. Auch die benötigte Logistik wurde an DHL ausgelagert. In der Fabrik selbst wird im etwa 92.000m² großen Karosseriebau die Rohkarosse hergestellt, die benötigten Pressteile liefert eine spanische Firma, die ganz in der Nähe sitzt. Etwa 500 Roboter schweißen, kleben stanzen und falzen die Teile zusammen, bevor sie in der Lackiererei landen. 15 Stunden verbringen sie dann bis zum kompletten Trocknungsprozess, um dann in der Endmontage zu landen. In der Lackiererei wie im Karosseriebau liegt die Automatisierung bei etwa 80%, im Gegensatz zur Montage. Hier werden auf sieben Bändern nur etwa 3% der Arbeiten von Automaten erledigt, den Rest der 120 Arbeitsprozesse erledigen der Großteil der derzeit etwa 2.000 Mitarbeiter. Sie sind immer noch wesentlich flexibler als die Kameraden aus Stahl, bei der Vielzahl der Arbeiten zahle es sich immer noch aus, Menschen zu beschäftigen betont die Werksleitung.
Der Höhepunkt der Produktion ist natürlich die sogenannte „Hochzeit“ wo Motor Fahrgestell und Karosserie zu einem Auto zusammengefügt werden. Auch hier wird sehr viel Hand angelegt. Faktisch komplett automatisch erfolgt die Logistik innerhalb des gesamten Produktionsvorganges. In über den Produktionsebenen gelegenen Straßen werden die Fahrzeuge und Teile punktgenau dorthin gebracht, wo sie benötigt werden. Um Irrfahrten auszuschließen, wird jedes Fahrzeug von einer „Blackbox“ begleitet, die den genauen Montage- und Bauplan enthält und für die Kontrolle verantwortlich ist. Zudem sind an jedem Montageplatz Bildschirme vor Ort, über die die verantwortlichen Mitarbeiter jegliche notwendige Information erhalten.
Derzeit liegt der Ausstoß bei 250 Fahrzeugen pro Tag in zwei Schichten, im Endausbau sind bis zu 380 in drei Schichten mit 3.000 Beschäftigten geplant. Derzeit, so gibt man offen zu, habe man etwas Probleme, genug Motoren zu bekommen, da die Zulassungen für die Dieselmotoren nicht zuletzt aufgrund des Diesel-Skandals verschärft worden sind. VW arbeitet zudem auch mit Hochdruck einer Elektroversion des Crafters, die vor allem im urbanen Bereich eingesetzt werden soll. Die ersten E-Crafter werden wohl in Deutschland von den Bändern rollen. Ob sie später auch aus dem nun gar nicht mehr so verträumten Städtchen Wrezenia kommen werden, steht noch in den Sternen. Platz wäre noch genügend vorhanden…