Wie sähe die Zukunft aus, wenn wir das Auto einfach selbständig zum Einkaufen schicken könnten. Die Einkäufe werden von den Verkäufern eingeladen und der Wagen fährt wieder zurück – natürlich ohne Fahrer. Oder man stelle sich vor, dass wir unsere Kinder nicht mehr zum Musikunterricht fahren müssen, ältere Menschen brauchen kein Taxi mehr oder lange Strecken werden schlafend auf der Rückbank zurückgelegt. Staus auf den Straßen gehören dann wahrscheinlich der Vergangenheit an, wenn sich diese Technologie durchsetzt. Verkehrssünder werden zur Mangelware und Unfälle sind so häufig wie Springbrunnen in der Wüste. Klingt wie ein Science Fiction, aber Google arbeitet an diesem Projekt und ist schon erstaunlich weit. Bis zur Marktreife werden wahrscheinlich noch 10 Jahre vergehen, aber die Erfolge lassen sich schon jetzt sehen.
Die von Google entwickelte Software wird liebevoll Google Chauffeur genannt und wurde unter der Leitung von Sebastian Thurn entwickelt. Der ehemalige Stanford Professor gewann mit seinem Roboterauto Stanley 2005 die DARPA Grand Challange in der Höhe von 2 Millonen Euro des US Verteidigungsministeriums. Ziel war es die volle Distanz von 212,76 km unter 10 Stunden zurückzulegen. Das Siegerteam unter S. Thurn benötigte dafür 6 Stunden und 54 Minuten. Der zweitplatzierte war rund 11 Minuten langsamer.
Das Thema wird durchaus kontroversiell diskutiert. Während die Gegner befürchten, dass die Datenkrake den letzten Winkel des Privatlebens durchzieht und den Wagen zu den von Google präferierten Supermärkten navigiert oder gleich den gesamten Nah- und Fernverkehr übernimmt sehen die Befürworter einen Quantensprung. Zweifellos hat die Technik viele Vorteile, wobei die rechtlichen Rahmenbedingungen geklärt werden müssen. Was passiert beispielsweise, wenn der Wagen einen Fußgänger überfährt? Ist dann der Fahrzeughalter schuld, weil er angeblich das Auto nicht ordnungsgemäß gewartet hat oder übernimmt Google die Verantwortung für alle Autos die regelmäßig zum Service gebracht wurden?
Ein Schreckensszenario das vor allem Werkstätten das Fürchten lehrt. In Zukunft bestimmen Konzerne wie Google wo die Autos gewartet werden. Im schlimmsten Fall fährt das Auto selbständig in die Werkstatt seiner Wahl, wenn man die Garantie für das Fahrzeug nicht verlieren will. Das Geschäft mit den lukrativen Serviceverträgen könnte in Gefahr geraten. Doch bevor es soweit ist müssen die rechtlichen Grundlagen geschaffen werden.
In den USA wurde hierzu bereits in mehreren Staaten ein Gesetz verabschiedet.
Auch in Europa motiviert die Angst vor Google Politiker innovative Schritte zu setzen. So hat der deutsche Verkehrsminister Dobrindt im Jänner 2015 angekündigt eine Teststrecke auf der A9 in Bayer für selbstfahrende Autos und Autos mit Assistenzsystemen einzurichten. Laut Dobrindt ist es das eklärte Ziel, dass die deutsche Autoindustrie in diesem Bereich zu Weltspitze gehört, um nicht Abhängigkeit von Unternehmen wie Google zu geraten. In Nordrhein Westphalen plant man laut Michael Groschek ebenfalls Teststrecken für die A2, A40 und A42 freizugeben.
Die gesetzlichen Hürden sind trotz aller Beteuerungen hoch. In Europa muss der Fahrer das System jederzeit unterbrechen und selbst übernehmen können. Ein Fahrzeug ohne Lenkrad ist derzeit nicht erlaubt. In den USA gelten diese Regeln nicht. Wie sehr die deutschen Konzerne mit diesem Thema beschäftigt sind zeigt Mercedes mit dem Concept Car F015 auf der CES in Las Vegas.
Die Basis der internationalen Verkehrsordnung ist durch die Wiener Straßenverkehrskonvention im Jahr 1968 beschlossen worden, welche fast jedes Land unterzeichnet hat.
Die rechtlichen Grundlagen sind komplex. Es gilt zu klären welche Systeme zugelassen werden und wie die Zulassungsbestimmungen für die Systeme aussehen. So muss unter anderem definiert werden welches Sichtfeld das System erfassen können muss und wie das Fahrzeug in welcher Situation zu reagieren hat. So ist eine Vollbremsung nicht in jeder Situation sinnvoll und kann zu Auffahrunfällen führen. Entfernt sich das Fahrzeug aber unerlaubt von einer Unfallstelle, dann handelt es sich um Fahrerflucht.
Dies ist umso problematischer, da der Halter eines Fahrzeuges nach derzeitigem Recht für alle Schäden haftet, die sein Fahrzeug verursacht, unabhängig davon ob er das Fahrzeug lenkt oder nicht. Im konkreten Fall wäre derzeit der Halter eines Fahrzeuges dafür verantwortlich, wenn ein Unfall durch eine Fehlfunktion verursacht würde. Ausnahmen gibt es nur wenige. Beispielsweise für höhere Gewalt oder unbefugte Nutzung des Fahrzeugs. Im Gegensatz hierzu führt das Prodkuthaftungsgesetz (D) bzw. das Konsumentenschutzgesetzt (Ö) aus, dass der Hersteller für sein Produkt haftet. Dies setzt allerdings voraus, dass das Produkt des Herstellers einen nachweisbaren Mangel aufweist. Softwarefehler sind für einen Durschnittskonsumenten in Normalfall nicht nachweisbar. Man stelle sich vor, dass die Fahrradlampe eines Kindes auf dem Gehweg den Sensor des Wagens in einem derart ungünstigen Winkel trifft, dass dieser den Wagen fälschlicherweise zu einer Ausweichbewegung veranlasst, welche wiederrum zu einem Unfall auf der Gegenfahrbahn führt, welcher vom System nicht wahrgenommen wird. Der fahrerlose Wagen bleibt nun stehen und verursacht einen Stau oder er fährt weiter und begeht Fahrerflucht.
Wie nahe dieses Szenario an der Realität ist zeigt eine Aussage von Chris Urmson, dem Verantwortlichen des Google car teams. Laut Urmson hat das Google Auto immer noch eine Vielzahl von Navigationsproblemen. So kann die Software derzeit keinen Polizisten am Seitenrand erkennen, der den Wagen durch Winken zum Stoppen auffordert. Auch Baustellen können das Fahrzeug verwirren. Trotz der 700.000 Meilen an Testfahrten ist es derzeit noch nicht möglich im starken Regen oder bei Schnee zu fahren. Viele Detailprobleme wie wenn die Sonne direkt hinter einer Ampel steht machen den Google Ingenieuren zu schaffen. Ebenfalls unklar ist, wie sich der Wagen verhält, wenn die Karten nicht auf dem aktuellen Stand sind, wenn Polizisten eine Kreuzung regeln, während die Ampel noch aktiv ist (zB bei einem Unfall) oder wenn widersprüchliche Verkehrszeichen aufgestellt werden (zB nur Linksabbiegen erlaubt was dazu führen würde, dass man gegen eine Einbahn fährt).
Selbst Grundsatzfragen sind noch nicht geklärt. An wen stellt nun der Geschädigte seine Forderungen? Wie kann der Eigentümer des Fahrzeugs die Aussagen des Geschädigten überprüfen? Um Klarheit über den Sachverhalt zu bekommen müsste der Wagen rund um die Uhr überwacht werden und von jeder Fahrt einen 360° Video Panorama Aufnahme aufgezeichnet werden, welche über einen längeren Zeitraum zur Verfügung steht. Eine Art erweiterte Blackbox für Autos. Szenarien die erklären warum Google ein massives Interesse an diesem Markt hat. Autos die ständig die Umgebung überwachen wären ein extrem wertvolles Asset für Dienste wie Google maps, Verkehrsüberwachung, Versicherungen,…
Der Markt für derartige Daten ist schier unbegrenzt. Kein Wunder also, dass alle großen Automobilhersteller und Internetkonzerne an reges Interesse zeigen.