Eigentlich hatte ich mir das anders vorgestellt- ganz anders. Der Flughafen von Delhi ist ganz modern, von der Stadt selbst sehe ich nicht viel, im Hotel Tivoli Garden ist jedoch auch nach Mitternacht noch die Hölle los. Wedding Time- Hochzeit erklärt mir ein Boy, das dauere bis zu drei Nächte lang. Egal, das Zimmer ist sauber, ich bin hundemüde und schlafe daher trotzdem gut. Am nächsten Tag, nach einem englischen Frühstück wage ich mich erstmals aus dem Hotel. Gleich vor dem Tor nach dem Passieren von mindestens einem Dutzend Securities, da beginnt das wirkliche Indien. Dreck, wohin man sieht, alles spielt sich auf der Straße ab, der Verkehr ist wahnsinnig, aber nicht ganz so mörderisch wie ich mir das vorgestellt habe. Nach einer halben Stunde zu Fuß flüchte ich ins Hotel. Die Inder sind sehr freundlich, viele können englisch, jeder will etwas verkaufen oder zumindest etwas erklären. Am nächsten Tag geht es nach Agra zum Taj Mahal. Die Straße, oder ist es die Autobahn? Ist leidlich, der Verkehr langsam. Wenn eine Kuh auf der Ausfallstraße ihr Kälbchen am Kreisverkehr säugt, steht einfach alles und wartet, bis die beiden fertig sind. Keinem Inder würde es einfallen, hier etwas beschleunigen zu wollen. Die Besitzer lassen ihre Tiere einfach am Morgen aus und fangen sie am Abend wieder ein. Gefüttert werden sie von Passanten, denn es ist für einen gläubigen Hindu einfach eine gute Tat, die Tiere zu füttern, es soll ihm Glück bringen.
Wir jedenfalls beginnen uns an den Linksverkehr und die verkehrte Schaltung (rechts mit umgekehrtem Schema) der Enfield India zu gewöhnen. Das Durchschnittstempo liegt auch bei sogenannten Schnellstraßen nicht über fünfzig km/h, eher darunter. Für 200 Kilometer können schon mal auch acht Stunden vergehen. Dafür entschädigt uns der Besuch des Taj Mahal und des Forts. Kein Bild kann den persönlichen Eindruck ersetzen, den dieses Monument hinterlässt. Interessant ist die Tatsache, dass man nur mit Elektrofahrzeugen zum Taj gelangt, man hat offensichtlich Angst, die aggressiven Abgase könnten das berühmte Grabmal zerstören. Die Hauptlast in der Stadt tragen wie fast überall in Indien die kleinen Tuk Tuks, die es zu hunderten gibt. Im Prinzip sind das in Lizenz gebaute Piaggio Ape mit einer Sitzbank hinter dem Fahrer und einer kleinen Ladefläche. Obwohl nur für drei Personen (inklusive Fahrer) zugelassen, sitzen schon meist in der ersten Reihe drei Personen neben dem Fahrer! Unter acht Personen Zuladung geht meistens nichts. Lustig ist die Tatsache, dass diese Dreiradtaxis hier mit CNG fahren, ebenso die Kleinbusse. Weniger lustig, dass es in Agra nur drei CNG Tankstellen gibt, was bei einer Reichweite von 100-150 Kilometern lange Warteschlangen bedeutet. Offensichtlich macht man sich nun auch in Indien Gedanken zur Helmpflicht, zumindest werden an jeder Ecke diverse Töpfe meist aus chinesischer Fertigung feilgeboten. Benützt werden sie freilich selten, vor allem Frauen scheuen sich, diese Art von Kopfschmuck zu tragen.
Den Fernverkehr in Indien bestreitet die Bahn, den Engländern sei Dank. Bereits 1854 wurde die erste Bahnlinie in Betrieb genommen, heute sind es über 63.000 Kilometer Schiene, auf der täglich 13 Mio Menschen transportiert werden. Viele übrigens auf dem Dach, was immer wieder zu fürchterlichen Unfällen führt. So fallen viele Menschen etwa bei Wechseln der Fahrschiene über Weichen einfach runter. Die indische Bahn schätzt übrigens, dass über 50% der Passagiere keine Fahrkarte besitzen. Vor allem in der Nacht ist es oft üblich, einfach die Notbremse zu ziehen und in der Dunkelheit zu verschwinden. Die Bahngesellschaft ist übrigens einer der größten Einzelfirmen der Welt mit 1,5 Mio Angestellten. Der größte Teil fährt mit Diesel, aber die Elektrisierung wird stetig vorangetrieben, die Fahrt unter Dampf wurde vor gar nicht so langer Zeit eingestellt. Heute gibt es nur noch Vergnügungsfahrten unter Dampf wie etwa der Toy Train in Darjeeling.
Obwohl auf der Straße alles unterwegs ist, vom Ochsengespann über von Kamelen gezogenen Wagen bis hin zu Fußgängern mit Karren und natürlich Radfahrern, wird der größte Teil zumindest der Kurzstrecken überwiegend mit dem Motorrad zurückgelegt. Meist sind es Einzylinder wie etwa die Maruti Suzuki oder die Hero Honda mit Hubräumen so um die 200 cm³ oder Roller. Kein Wunder, dass KTM nun auch eine Duke 200 baut, schließlich ist der Rollerbauer Bajaj der Teilhaber der Oberösterreicher. An jedem Bahnhof stehen hunderte der kleinen Bikes, die oft unglaubliche Lasten schleppen müssen. PKWs sind am Land noch eher die Ausnahme, doch mit dem wachsenden Mittelstand werden auch sie immer mehr. Wir landen am nächsten Tag in Jaipur, der Pink City. Sie wurde anlässlich eines Besuches von Lord Montbetton in diese Farbe gehüllt, bis heute ist das so geblieben.
Eine farbenfrohe Stadt zwischen Armut und Reichtum, mit vielen auch ärmlichen Geschäften, aber auch mit vielen Prunkbauten und Palästen. Einer der Haupteinnahmequellen ist der Schmuck, viele Steine werden in den umliegenden Bergen gewonnen und hier verarbeitet. Die Stadt ist eigentlich jung, sie wurde von Jai Singh II um 1728 auf dem Grund eines ausgetrockneten Sees angelegt und wurde von Haus aus geplant. So gibt es etwa bis heute keine Sackgasse. Über der Stadt trohnt das Amber Fort, das 200 Jahre lang gebaut wurde und dessen Bau 1572 begonnen wurde. Der riesige Komplex ist eine Mischung aus Mogul und Hindu style, wie viele Paläste aus dieser Zeit und kann auch mittels Elefant erreicht werden. Diese Elefanten marschieren dann nach Arbeitsschluss in die Stadt zu ihren Ställen, um gebadet und gefüttert zu werden. Nichts kann und will die Kolosse aufhalten, zumal die Mahuds hoch oben in ihren Körben schlafen.
Eine Plage sind auch die vielen Meerkatzen, die in Horden durch die Stadt schwärmen und vor denen nichts sicher ist. Vor allem die Straßenverkäufer leiden unter den diebischen Primaten. Eine reine Mogul Architektur ist der City Palace, der auch heute noch von der Familie des Maharadschas und ihm selbst bewohnt wird. Ein Teil ist allerdings ein Museum, der Audienzsaal gibt einen guten Eindruck der damaligen Feudalherrschaft wieder. Im Haus des Willkommens ist eine Ausstellung über die Bekleidung der Oberschicht beheimatet. Heute allerdings muss der Lebensstil verdient werden und so vermietet der Maharadscha seine Privatgemächer zuweilen für ein Galadiner. Vermutlich ist er dann nie daheim, denn dank der Vorstellungen mit traditionellen Musikern und Tänzerinnen geht es sehr laut zu.
Interessant der daneben liegende Park Jantar Mantar. Es ist ein Observatorium mit allerlei Instrumenten aus Stein, wie etwa einer riesigen Sonnenuhr, die um 2 Sekunden genau geht. Für uns geht’s weiter nach Ranthambore, der Weg durch wilde Gebirgszüge erscheint endlos . Es gibt eine frühe Tagwache, in der Hoffnung im 1972 auf 8000 km² gegründeten Nationalpark einen der etwa 40 Tiger zu sehen. Allerdings müssen wir die Bikes stehen lassen und werden in LKWs verfrachtet. Bis auf einen Schatten, der über den Weg huscht, werden wir allerdings enttäuscht. Als wir beim (geplanten) zweiten Versuch am Nachmittag Richtung Ausgang unterwegs sind, kommt uns eine der Großkatzen seelenruhig auf der Fahrstraße entgegen, um dann majestätisch im Busch zu verschwinden. Aber auch ohne Tiger ist der Park sehenswert, viele Tiere tummeln sich seelenruhig neben den Wegen und über den verschiedenen Seen thront das jahrtausendalte Fort Ranthambore.
Wir fahren weiter nach Udaipur, dem Venedig Indiens. Eine Fahrt über den Lake Pichola zu einem der Inselpaläste zeigt uns wieder einmal die Gegensätze dieses Landes. Die Herrlichkeit dieses Bauwerkes und die ärmlichen Dörfer am Ufer machen die Probleme dieses Landes mehr als deutlich. Bei der Weiterfahrt nach Aurangabad fallen mir immer wieder ältere Männer mit roten Haaren auf. Auf meine Anfrage erklärt man mir, dass diese Haare mit Henna gefärbt würden, um das Grau zu verdecken. Sieht witzig aus, aber offensichtlich gehört dies dazu.
In Aurangabad besuchen wir einen Tempelkomplex, der etwa 650 vor Christi Geburt erbaut und 1819 zufällig von jagenden Engländern wieder entdeckt wurde. Der Aufstieg ist steil, wer will kann sich gegen ein geringes Entgelt tragen lassen. Ich gehöre nicht dazu, obwohl es entsetzlich heiß ist. Zudem leide ich an den Nachwirkungen eines Indischen Festmahls vom Abend vorher. Auch die Aussage erfahrener Indienkenner, das passiere nur einmal und dann wäre man sein Leben lang immun, können mich in dieser Situation auch nicht trösten.
Am nächsten Tag geht es weiter nach Mumbai, unserem Ziel. Das ehemalige Bombay zeigt deutlich, was passieren wird, wenn ein Großteil der Inder vom Motorrad aufs Auto umsteigt. Der Verkehr ist hier wirklich mörderisch, es gibt keine Kühe mehr und auch Motorräder sind eher in der Unterzahl. Dafür begegnen wir hier wieder vermehrt der guten alten Enfield India. Das Motorrad aus Madras, das eigentlich auf eine alte englische Konstruktion zurückgeht, ist hier nicht mehr Massenverkehrsmittel, sondern ein Hobby der Betuchten. Wir besichtigen mit einer Führerin die Stadt, die uns die Wäschereien zeigt, wo Männer unter unvorstellbaren Bedingungen waschen und danach die Wäsche wieder ihren Besitzern zurückbringen, ganz ohne Aufzeichnungen und Computer.
Moderner, fast europäisch geht es im Cafe Leopold zu, wo islamische Terroristen 2008 ein Blutbad anrichteten. Mitten in der Stadt gibt es einen großen Felsen. „Hier kommt einmal Ratan Tata her, wenn er tot ist“ erklärt die Führerin. Der Großindustrielle, dem neben einer eigenen Automarke auch Jaguar und Land Rover gehören, ist Parsi. Bei den Angehörigen dieser tibetischen Religion ist es üblich, ihre Toten auf einen Felsen zu legen und von Geiern verzehren zu lassen. Im Haus von Mahatma Gandi lernen wir, warum das Spinnrad auf der Indischen Flagge zu finden ist. Der Führer und Philosoph wollte am eigenen Beispiel zeigen, wie man durch Spinnen der eigenen Wolle unabhängig von britischen Importen werden konnte. Wir jedoch verabschieden uns mit dem dringenden Wunsch, wiederzukommen. Indien ist riesengroß und mehr als eine Reise wert…..
Eine Kleine Statistik
Seit 2004 sind die jährlichen Verkäufe von Zweirädern von 6 Mio auf 12 Mio gestiegen, die PKW Verkäufe von 1 Mio auf 2,5 Mio. etwa gleich geblieben sind die Dreiräder (300.000 zu 500. 000) . Ganz schlimm ist die Steigerung bei den Handy Nutzern. Manche Betreiber hatten Zuwächse von 1 Mio neuen Teilnehmern- pro Tag!!! Im gleichen Zeitraum stieg die Bevölkerung von 1.089 auf 1,180 Milliarden Einwohnern, also um knapp 100 Mio. Kinderreichtum gilt immer noch als Segen, auch wenn es immer eine Frauenknappheit gibt. Mädchen werden gerne abgetrieben, da sich viele Familien die Mitgift nicht leisten können. Aufklärungsprogramm greifen vor allem bei der ländlichen Bevölkerung nur schleppend. Es gibt ungefähr 50 Religionen inklusive Christen, Juden und Moslems und dafür wenig Spannungen. Die größte Gruppe sind Hindus