Wie so oft muss das Internet für eine Suche nach dem geeigneten Quartier herhalten. Dort trifft mit einiger Sicherheit sofort auf die Burg Kapfenstein, wo man standesgemäß Feste feiern kann und auch sonst ein gediegenes Ambiente vorfindet. Aber halt, offensichtlich gibt es da auch noch mehr, wenn man sich die Mühe macht nach Alternativen zu suchen. Unter fernen liefen werden auch noch Gästezimmer und Appartements angeboten. Preislich deutlich attraktiver und teilweise mit extrem guten Werten benotet. Eines dieser Appartements wurde sogar im Durchschnitt mit Outstanding bewertet. Unsere Neugier war geweckt. Wir buchten das Appartement für 50 Euro die Nacht für 2 Personen (wohlgemerkt, der Preis inkludiert beide Personen) und machten uns auf den Weg. Die kleinen engen Straßen winden sich traumhaft schön über die Weinberge und Wälder der Südsteiermark. Hinter jeder Kurve wartet eine neue landschaftliche Überraschung während die Ruhe und Schönheit der Umgebung immer weiter Besitz von der Seele ergreift.

In dem kleinen malerischen Pretal angekommen war die erste Herausforderung das Haus der Familie Richter zu finden. Zu unserer Überraschung handelte es sich um ein deutsche Ehepärchen, das sich in der Pension ihren Traum vom Leben in der Steiermark erfüllt hat und ein wirklich einladendes großzügiges Haus auf 4000m2 Grund gebaut hat. Die beiden wirken auf den ersten Blick wie zwei Aliens, die man direkt vom Santa Monica Boulevard in die Steiermark gebeamt hat. Die nette und herzlich Art der Beiden und das originelle Appartement bilden wahrscheinlich die Grundlage für ihren Erfolg, der sich unter Insidern schon längst herumgesprochen hat.

Das Haus hat eine fantastische Aussicht auf die Burg Kapfenstein über das ganze Tal. Der Gästebereich Bilderbesteht aus einem 50m2 großen Bereich mit eigener Terrasse und Ausgang zum Garten. Auffallend ist die originelle Gestaltung der Räume und die Innenraumdekoration, welche an einem Mischung aus Hundertwasser und Andi Warhol erinnert. Im Garten und auf der Terrasse herrscht ein kreatives Chaos, das den Eindruck vermittelt, dass Hundertwasser hier gerade beim Arbeiten ist. Nach einem kurzen Gespräch mit unseren Gastgebern war schnell klar, dass hier zwei kreative Künstler am Werk sind, die aus Kronenzeitungen beeindruckende Figuren fertigen, Lampen selbst herstellen, Puppenkleider nähen und in Beton gegossene Rhabarberblätter im Garten verteilen. Die Kreativität der beiden deutschen Pensionaten war wirklich beeindruckend. Eine kurze Führung durch die Privatgemächer eröffnete eine erstaunliche Sammlung an Kunstwerken, welche unsere beiden liebenswürden Gastgeber erschaffen hatten.

Am ersten Abend fragten wir nach einer empfehlenswertem Heurigen in der Nähe. Harry, unser Gastgeber antwortete auf diese Frage, dass er uns das Puff empfehlen kann und ob uns stört wenn wir da gemeinsam hingehen? Im selben Moment rief er seine Frau, ob sie mit zum Puff gehen möchte. Meine Frau und ich schauten uns kurz etwas irritiert an. Was sollte das werden? Ein unkonventionelle Angebot am frühen Nachmittag? Kurze Zeit später fuhren wir den Beiden hinterher in Richtung Puff. Es handelt sich hierbei um eine sehr nette und preiswerte Buschenschank, wo man allerlei Spezialitäten wie Hirschsalami bekommen kann. Für Kinder ist dieser Ort ein wahres Paradies. Von Hasen über Meerschweinchen bis zu Schafen, Katzen und Hirschen ist hier alles vertreten. Das Essen war ebenfalls ausgezeichnet.

Nach unserem Abstecher vom Puff konnten wir dann noch den unglaublichen Sonnenuntergang und die Ruhe genießen, welche nur durch das Zirpen der Grillen unterbrochen wurde. Das Leben in der Großstadt wird zu einem abstrakten Ereignis, wenn man einem solchen Ort den Tag ausklingen lässt.

Der nächste Tag begann damit, dass Harry mit einem grünen Ei von einem Bio Bauern auftauchte und uns kurz etwas über seinen männlichen Kiwibaum auf der Terasse erzählte, welcher bedauerlicherweise keine Früchte trägt. Die grünen Eier konnte man laut seinen Angaben bei einem Biobauern in der Gegend kaufen, der spezielle Hühner züchtet. Ich machte mich also auf den Weg, um den besagten Bauern aufzusuchen. Als ich dort angekommen waren fragte ich nach den grünen Eiern, welche wir bei Richters gegessen hatten. Der Bauer schaute kurz auf unser Wiener Nummernschild und fragte ob ich nicht lieber ein Kernöl haben will. Das verneinte ich selbstsicher, da ich nur die grünen Eier kaufen wollte. Meine liebe Ehefrau zog es intuitiv vor, mich bei meinem Einkauf nicht zu begleiten. Mein Gegenüber nickte nachsichtig und erkläre mir mit einem Lächeln auf den Lippen, das sein Mitleid mit den leichtgläubigen Städtern zum Ausdruck brachte, dass er keine grünen Eier hat (dafür aber Kernöl). Man konnte seine Gedanken förmlich aus seinem Gesichtsausdruck ablesen:

1. Ostern ist vorbei

2. Den Osterhasen gibt es auch nicht

3. Schon wieder ein Wienerchen das Harry seine Eigeschichte abgenommen hat.

Das rief mir sofort ein anderes Erlebnis in Erinnerung, als ich den Fehler machte mit einem deutschen Arbeitskollegen ein ursteirisches Lokal aufzusuchen. Mein Kollege studierte kurz und intensiv die Speisekarte, legte diese dynamisch zur Seite, beorderte den Kellner zackig zu sich und fragte diesen gekonnt: “Guter Mann, haben sie auch `ne Currywurst mit Pommes?”. Der Kellner schaute kurz suchend auf seine steirische Lederhose, ob da irgendwo ein McDonalds Logo zu sehen war und sagte nach erfolgloser Musterung seines Outfits schließlich: “Burschi, on Bockhendl Solod koannst hobn!”. Mit großen Augen und etwas verunsichert beschloss mein Kollege seinen ursprünglichen Wunsch nochmals zu überdenken.

Wieder zurück in der Realität, die leider immer peinlicher wurde und in Memoriam an meinen lieben deutschen Kollegen, beschloss ich 10 normale Eier und einen Liter Kernöl zu kaufen und das obwohl ich kein Kernöl mag. In dieser Situation konnte ich den Kauf des steirischen Nationalproduktes einfach nicht mehr ablehnen ohne mich als totaler Banause zu outen.

Einen Tag später kommt Harry Richter am Morgen wieder mit einem grünen Ei ums Eck gebogen. Zur Sicherheit frage ich nochmal wo die grünen Eier wirklich herkommen. Diesmal kam das Lächeln von Harry, den es offensichtlich amüsierte, dass ich nicht beim Biobauernhof, sondern auf einer mittelgroßen Hühnerlieferanten gelandet war. Erfreulicherweise konnte ich diesmal den richtigen Bauernhof lokalisieren und die grünen Eier auch kaufen. Meine Frau meint, dass die Eier eher Türkis sind. Egal, sie schmecken wirklich gut.

Wir verließen die beiden mit dem Wissen, dass wir irgendwann wieder kommen werden. Das Pretal scheint ein besonderer Platz zu sein. Zwei Häuser weiter wohnt ein holländisches Rentnerpaar, das ebenfalls ein Ferienappartement vermietet. Dieser Platz zieht Menschen aus der ganzen Welt an. Das Künstlerpaar und die Südsteiermark haben wir jedenfalls in unser Herz geschlossen.

Link: Ehepaar Richter

 

 

ReisenÖsterreichReisebericht Südsteiermark – Aliens und grüne Eiern