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ESP im Einsatz

Vor 25 Jahren ging ein lautes Raunen durch die Automobilfachwelt. Ein Mercedes A-Klasse, der erste und mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Kleinwagen der Stuttgarter, kippte bei einem Spurwechseltest der schwedischen Fachzeitschrift „Teknikens Värld“ einfach um. Dieser misslungene Test, von den Medien schnell „Elchtest“ getauft, löste bei Mercedes vorerst eine kurze Schreckstarre aus. Christoph Böhm, der bei Mercedes-Benz die Entwicklung der Fahrdynamiksysteme leitet und damals ganz kurz in der Firma tätig war, erinnert sich. „Es musste schnell eine Lösung her“ Und die fand sich ausgerechnet im eigenen Haus, genauer gesagt in der luxuriösen S-Klasse. Hier verbaute man schon seit zwei Jahren das zusammen mit Bosch entwickelte ESP-System (Elektronisches Stabilitätsprogramm). Dieses Assistenzsystem, das mit gezielten Bremseingriffen und einer Vernetzung mit dem ABS arbeitet, löste das Problem mit dem Elch bei der A-Klasse nachhaltig.

Und dieses, wenn auch unrühmliche Jubiläum veranlasste Mercedes-Benz, die Fachmedien ins werkseigene Versuchsgelände nach Immendingen in Süddeutschland einzuladen, um zu zeigen, was sich seitdem getan hat.

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Remote Park-Assistent

Fakt ist, seit 2014 muss ESP mit wenigen Ausnahmen in jedem neu zugelassenen Auto verbaut sein- und es ist aktuell bei über 40 Fahrassistenzsystemen zumindest beteiligt, erfüllt hier über 100 verschiedene Funktionen und wurde von Bosch über 300 Millionenmal verkauft. Fakt ist auch, dass sich auf der Hardware- Seite einiges getan hat. Die Sensoren, die die zur Regelung notwenigen Fahrdaten liefern, sind wesentlich schneller und auch kleiner geworden, damit können auch mehr untergebracht werden. Auch die Rechenleistung der beteiligten Computer beträgt ein Vielfaches der damaligen Rechner. Zudem gibt der nunmehrige Einsatz von EPS (Electronic Power Steering), also der elektrisch betätigten Lenkung, die Möglichkeit, auch diese mit zu vernetzen und damit weiter Eingriffe möglich zu machen.

Die Ergebnisse, die nicht ohne Stolz von den Versuchsingenieuren demonstriert werden, sind beeindruckend. Etwa beim mittlerweile klassischen Elchtest. Der Testpilot fährt mit Tempo 70 in die Slalomstrecke ein. Mit aktiviertem System wird der Kurs ruhig und fast locker gefahren, die Lenkung unterstützt den Fahrer aktiv und das System bringt keine der Pylonen auch nur zum Wackeln. Auch durchaus provozierte harschen Lenkeinschläge werden durch die Assistenzsysteme soweit abgefedert, dass der Testwagen, souverän seine Spur zwischen den eng gestellten Pylonen zieht. Dazu werden die Gurte angezogen und der Fahrersitz etwas nach vorne gestellt.

Bei abgeschaltetem System (das ist nur bei Versuchsfahrzeugen innerhalb des geschlossenen Geländes möglich) fallen die Hütchen reihenweise und die Besatzung, insbesondere der Beifahrer nimmt eher schmerzhaften Kontakt mit der B-Säule auf.

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Bremsassistent auf unterschiedlichen Reibflächen

Doch nicht nur beim Spurwechselsystem sind die ESP-Sensoren beteiligt, sie spielen fast bei jedem der in einem modernen Auto verbauten System eine tragende Rolle. So etwa beim Anhängerassistensystem, das ein Schlingern des Anhängers verhindert und auch beim rückwärts einparken hilft, beim Bremsassistenten, der bei Fahrzeugen und Objekten, die plötzlich im toten Winkel auftauchen, eine Bremsung einleitet, bei Bergauf und Bergabfahrhilfen, sogar bei der Einparkhilfe und noch einigem mehr. Etwa bei Gefahrenbremsungen auf Flächen mit unterschiedlichen Reibwerten. Das können Straßen sein, die teilüberfroren oder nass sind, das kann feuchtes Laub unter den Reifen sein: Die Stabilisierungssysteme schrumpfen die physikalischen Herausforderungen zu kaum spürbaren Ereignissen, das Auto kommt auch bei einer Panikbremsung kaum aus der Spur und wenn doch, korrigiert es sofort.

Allerdings ist der Aufwand bei der Entwicklung derartiger Systeme nicht zu unterschätzen. Bis zur Marktreife eines Systems oder Fahrzeugs gibt es mehr als 1500 unterschiedliche Simulationssituationen, die von der Elektronik bewältigt werden müssen.

Mycar 05Mit allen diesen Systemen, so ist Christoph Böhm und sein Team überzeugt, wird man dem Unternehmensziel „Vision Zero“, das bis 2050 die Zahl der Verkehrstoten auf null bringen und bis 2030 die Zahl der Opfer im Vergleich zu 2020 um die Hälfte verringern möchte. Der lebensgroße Elch, der belanglos vor der Tür einer der Container in Immendingen steht, soll wohl dazu anspornen Und sie steht auch für das Unternehmensziel „Vision Zero“, das bis 2050 die Zahl der Verkehrstoten auf null bringen und bis 2030 die Zahl der Opfer im Vergleich zu 2020 um die Hälfte verringern möchte, gleichzeitig aber auch zur Demut mahnen….

 

 

 

 

 

FahrzeugeAutoMercedes25 Jahre Elchtest- der Booster für Assistenzsysteme