Mit BYD (gesprochen Be-Wie-Di) ist nun eine weitere Automarke aus China am heimischen Markt. „Build Your Dreams“ wie sich die Chinesen selbstbewusst nennen, hat mit gleich fünf elektrifizierten Modellen ein recht breites Spektrum im Angebot. Den Kleinewagen Dolphin, das siebensitzige SUV Tang, die Limousine Han, den Sportler Seal und unser Testfahrzeug, den kompakten Atto3.
Wer aber ist BYD? Die Marke wurde 1995 als Batterieproduzent gegründet und behauptet von sich die meiste Erfahrung für das Herzstück des E-Autos, den Antriebs-Akku mitzubringen. Heute, fast 30 Jahre später, ist BYD auf 6 Kontinenten mit über 30 Industrieparks präsent und ein wichtiger Player in der Elektronik- und Automobilindustrie. Als weltweit zweitgrößter Hersteller von Elektrofahrzeugen, der bis Ende 2022 weltweit insgesamt mehr als 3,3 Millionen Exemplare verkauft hat, kann man immerhin einiges vorweisen. Alle Pkw sind mit der sogenannten Blade-Batterie-Technologie ausgestattet, also Platten aus Lithium-Eisenphosphat, die kompakt nebeneinander gestapelt werden und weniger hoch bauen als Lithium-Ionen-Packs. Die Blade-Batterie sorgt für eine höhere Effizienz in Bezug auf Leistung, Reichweite sowie Lebensdauer und ist auch unempfindlicher gegen äußere Verletzungen. Und jetzt wagt man den Sprung nach Europa. In Österreich hat Denzel den Import übernommen und man ist guter Dinge, die Marke gut zu etablieren. Der Atto 3 ist das erste BYD-Modell der unteren Mittelklasse in Europa, wo die vollelektrische Konkurrenz noch relativ überschaubar ist.
Die Optik des kleinen BYD kann auf den ersten Blick durchaus überzeugen. Das Auto wirkt wie aus einem Guss, nicht sehr auffällig, aber auf eine gewisse Weise einzigartig. Etwas Chrom vorne zwischen den LED Scheinwerfern vorne und der ausgeschriebene Markenname hinten zeigen Flagge, wenn man sich etwas mit Autos auskennt, weiß man, woran man ist. Die Seitenlinie des 4,45 Meter langen Atto 3 ist eher unauffällig, so werden heute Crossovers designend. Interessant ist noch die C-Säule mit einer genarbten Chromapplikation, die laut BYD an die Schuppen eines Drachen erinnern soll.
Interessant geht es auch innen weiter. Zweifarbige Sitze aus veganem Leder, mehrfarbige Kunststoffe an den Verkleidungen sowie rote Ziernähte dominieren, dazu kommen noch verspielte Details wie die Türgriffe, die sich um die Lautsprecher winden und seitliche Gummispanner an den Türfächern, die auch als Gitarre zu verwenden sind. Das gibt es sogar an den hinteren Türen, sicher zur Freude der mitfahrenden Sprösslinge. Interessant sind auch die zahnradartige Drehelemente für die Luftverteilung, zwar gewöhnungsbedürftig, aber durchaus brauchbar.
Zentrales Bedienelement ist ein je nach Ausstattung 12,8 oder wie bei unserem Testfahrzeug 15,5 Zoll großes Touch-Display, das durch ein kleines, auflösendes 5-zölliges-LCD-Display vor dem Fahrer ergänzt wird. Es leigfer die wichtigsten Infos und kann zumindest in einem engen Rahmen auch individualisiert werden. Auf Knopfdruck kann das große Display z. B. für die Navigation über Google senkrecht und zum Filmschauen beim Laden waagrecht gestellt werden. Warum dies bei der Verwendung von Apple Car Play nicht funktioniert, blieb uns allerdings verborgen. Die Grafik ist dafür sehr schön gestaltet und lässt sich anders als bei diversen Konkurrenten auch recht logisch bedienen.
Schwächen offenbart die Bedienung nur dadurch, dass wichtige Grundfunktionen im Anzeigekonzept nicht dauerhaft hervorgehoben werden (Shortcuts auf oberster Bedienebene für Navigation, Radio etc.) oder sie, wie im Falle der Sitzheizung, in einem Untermenü “versteckt” sind. Wenigstens gibt es für die Lüftung Schalter in der Mittelkonsole, die sind auch bitter nötig, denn der Atto 3 ist offensichtlich so dicht, dass die Scheiben oft und gerne beschlagen. Etwas ausgleichen kann dieses Bediendefizit die Sprachsteuerung, die Befehle zur Änderung der Innenraumtemperatur und zum Eingeben von Navigationszielen umsetzen kann. Geschaltet wird mittels eines Hebels, der entfernt an die Schubsteuerung eines Jets erinnert. Die Konnektivität selbst ist in Ordnung, die Ansagen etwa bei der Erinnerung zum Angurten verständlich, wenn nicht etwas schulmeisterlich.
Mit einer Länge von 4,46 Metern, die zwischen dem VW ID.3 (4,26 m) und ID.4 (4,58 m) liegt, bietet der Atto 3 bis zu fünf Passagieren ausreichend Platz. Vorne fällt das Raumgefühl großzügig aus, hinten geht es, zumindest wenn drei Erwachsene Platz nehmen, etwas beengter zu. Die Beinfreiheit ist aber auch bei weit nach hinten geschobenen Vordersitzen in Ordnung. Das serienmäßige Panoramadach, das sich auch öffnen lässt, trägt positiv zum insgesamt guten Raumgefühl bei. Der Kofferraum könnte größer sein, er fasst 440 Liter, bei umgeklappten Sitzen sind es immerhin deren1338. Dafür gibt es einen doppelten Ladeboden etwa für die Ladekabel, einen Extra-Stauraum im Motorraum (Frunk) gibt es leider nicht.
Im Fahrbetrieb ist der Atto3 ein angenehmer Zeitgenosse. Trotz der fast 1,8 Tonnen Gewichts plus Zuladung ist die Beschleunigung ausgezeichnet, der Spurt von 0 auf 100 km/h wird in 7,3 Sekunden bewältigt, bei 160 km/h wird abgeriegelt. Das unten abgeflachte Lenkrad liegt gut in den Händen, die Lenkung ist angenehm, wenn auch nicht direkt, nur der Bremspedalweg könnte etwas kürzer sein. Die Federung ist eher komfortabel, bei schneller Kurvenhatz ist, wohl auch wegen der Fahrzeughöhe, etwas Vorsicht geboten. Allzu schnelles Durchtreten des Gaspedals quittiert der Fronttriebler mit quietschenden Reifen, auch die Antischlupfkontrolle kann das Temperament nur schwer zügeln, immerhin liegen 310 Nm vom Stand weg an. Die Sicherheitsausstattung ist komplett. Notbrems-, Spurhalte-, Fernlicht- oder Querverkehrsassistent, Verkehrszeichen-Erkennung, ACC oder Speed-Limiter: alles an Bord.
Die 420 Kilo schwere Batterie ist komplett im Unterboden versteckt und baut dank der schon erwähnten Blade-Technologie mit senkrecht geschichteten Quadern relativ flach. BYD gibt die Brutto-Kapazität mit 60,5 kWh an, die Reichweite von 420 Kilometern nach WLTP ist aber nur durch Streicheln des Gaspedals möglich. Wir kamen auf über 350, im gemischten Betrieb mit einem großen Autobahnanteil, was an sich durchaus beachtlich ist. Geladen wird AC dreiphasig mit 11 kW in etwa sechs Stunden, mit Gleichstrom dauert die Ladung von zehn auf 80 Prozent etwa 45 Minuten.
Preislich liegt der BYD Atto 3 mit 42.390 Euro inklusiver Steuern und 37.380 Euro nach Abzug der Förderungen für die Top-Ausstattung Design eher im unteren Bereich. Dazu kommt noch die BYD-Garantie: 4 Jahre oder 120.000 Kilometer auf das Fahrzeug, 8 Jahre oder 200.000 km auf die Antriebsbatterie.
Eine Aufpreisliste gibt es übrigens nicht, das Auto ist komplett, auch die Standardausstattung „Comfort“ unterscheidet sich nur in wenigen Details von der von uns getesteten „Design“ Variante.
Fazit:
Die aktuellen Elektroautos aus dem Reich der Mitte können in puncto Antrieb, Konnektivität und Qualität problemlos mit den Angeboten der etablierten Marken mithalten. Und BYD besetzt jetzt unter anderem auch den massentauglichen Markt der Kleinwagen und kompakten Mittelklasse. Der Atto 3 ist ein guter Anfang, wir werden sehen, was die Zukunft bringt.
Der Wagen befindet sich in der Energieeffizienzklasse A+. Das bedeutet, dass das Auto durchschnittlich weniger als 37% CO2 ausstößt als ein vergleichbarer Wagen mit 1750kg . Für die Berchnung ist nur das Gewicht des Wagens, nicht aber die Leistung (kW/PS) relevant. Dieser Wert sagt nichts über den Verbrauch (Liter/100km oder kwh/100km) des Wagens aus. Der Wert zeigt nur, dass der Wagen im Vergleich zu einem Wagen mit identischen Gewicht mehr oder weniger Treibstoff benötigt. |