06 r krntnerstrasse ca.1930Die Rechtsfahrordnung ist hierzulande für die meisten Verkehrsteilnehmer eine Selbstverständlichkeit, dass die Briten und die meisten ihrer ehemaligen Kolonien auf der „falschen“ Seite fahren, wird zuweilen augenzwinkernd als Spinnerei abgetan. Doch auch im alten Österreich ging es einmal links herum. Zumindest teilweise.

Die Frage, auf welcher Seite des Weges man sich fortbewegen sollte, beschäftigt den Menschen schon seit der Entstehung der ersten Zivilisationen. Das „Buch der Riten“, eine Zusammenfassung von Benimmregeln im alten China aus dem 2. Jahrtausend vor Christus legt schon fest, dass Männer die rechte und Frauen die linke Straßenseite zu benützen haben, Fuhrwerke dagegen in der Mitte fahren. Mit dem Aufkommen der Streitwagen entstand so etwas wie eine (zumindest militärische) Linksfahrordnung, denn der Krieger sollte seine Waffe auf der Straßenmitte, auf der Seite des entgegenkommenden Kontrahenten präsentieren können. Das sah man wohl auch im Mittelalter so ähnlich, denn der Großteil der Menschheit ist eben rechtshändig veranlagt. In der Praxis machte man sich wohl damals je nach Situation aus, wer auf welcher Seite auszuweichen hatte, meist galt wohl das Recht des Stärkeren. Ersten Aufzeichnungen nach in Europa gab es wohl nach der französischen Revolution eine Verordnung, auf welcher Seite gefahren beziehungsweise gegangen werden musste. Unter Robespierre wurde die Rechtsfahr- und (Geh-) Ordnung in Frankreich eingeführt. Vorher fuhren Fuhrwerke links, Fußgänger mussten rechts gehen. Nun galt für alle Bürger das Gleiche, egal ob auf Schusters Rappen oder hoch zu Ross unterwegs. Napoleon übernahm diese Ordnung und führte sie vor allem für das Militär auch in den von ihm eroberten Gebieten ein.

Anfang des 19. Jahrhunderts wurde der Wagenverkehr immer mehr und man musste sich zwangsweise auch hierzulande Gedanken über eine Straßenverkehrsordnung machen. In Österreich-Ungarn blieb man vorerst auf der linken Seite, aber nicht überall. In Teilen der Monarchie, nämlich in Tirol, Vorarlberg, Triest, Görz und Gradiska und Kärnten fuhr man rechts. Das war eine Folge der Tatsache, dass diese Gebiete wie auch heute eine klassische Transitroute waren und Deutschland und auch Italien rechts fuhren. In allen anderen Teilen der Donaumonarchie fuhr man links, also auch in Krain, Dalmatien, Böhmen, Mähren, Schlesien, Galizien, der Bukowina und vor Allem auch in Ungarn.

1915 wurde dann von der Donaumonarchie nochmals die allgemeine Linksfahrordnung festgelegt, Vorarlberg protestierte und kehrte nach dem Ende des ersten Weltkriegs 1921 wieder zur Rechtsfahrordnung zurück. Doch hatte man in der Zwischenkriegszeit andere Sorgen, auch wenn Österreich und Reste der „alten“ Monarchie zusehends im linken Abseits waren. Also entschloss man sich im Österreichischen Parlament 1929 zu einer Verordnung ab 1932 generell die Rechtsfahrordnung einzuführen. Dagegen wiederum protestierte Wien heftig, musste man doch das auf Linksverkehr ausgelegte Straßenbahnsystem umstellen und das zog enorme Kosten nach sich. Die typisch österreichische Lösung war, das Land auf eine Linksfahrzone im Osten und eine Rechtsfahrzone im Westen umzustellen. Das bedeutete in Wien, Niederösterreich, Oberösterreich, das Burgenland und die Steiermark fuhr Links, der Rest rechts.

162045822765Doch nicht ganz. In Salzburg wurde links gefahren, außer im Pinzgau und auch im Gasteinertal. Das führte u.a. zur kuriosen Situation, dass in Lend direkt auf der Fahrstraße die Seite gewechselt werden musste – einzigartig auf einer Hauptstraße in Österreich.  Unfälle waren an der Tagesordnung, da manche Verkehrsteilnehmer mit dieser Situation einfach überfordert waren.

Das änderte sich erst mit dem „Anschluss“ ans Deutsche Reich 1938. Nun musste auch der Rest des Landes auf Rechtsverkehr umstellen. Wesentlich länger dauerte übrigens die Umstellung des Bahnverkehrs. Erst 2012 kam es zur vorerst letzten Umstellung Richtung Rechtsverkehr. Die ÖBB investierten insgesamt 16 Millionen Euro  in die weitere Umstellung des Schienenverkehrs. Bis dahin wurden viele Züge, besonders im Osten Österreichs, weiterhin links geführt. Seit 2012 sind nun auch (mit Ausnahme der Wiener Schnellbahn) die Einstiege, Leitsysteme und Gleise der Züge an den heutigen Rechtsverkehr angepasst.

Quellen: „Die Presse“ Artikel von Johann Berlakovich „Die Presse“ 14.Dez. 2007

„neue zeit.at“ Alessa Hödl 28.September 2020

Gasteinertal.com: Links/Rechtsverkehr

Fotos:

Landesarchiv Salzburg

Archiv Stadt Salzburg

Archineers.at

 

 

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