Volkswagen hat mit der ID-Familie eine eigene Elektro-Klasse geschaffen. Eine Klasse, die in vielen Punkten wegweisend für die neue Mobilität ist, oder auch nicht. Der ID.4 ist hier ein typischer Vertreter, vor allem in der 4Motion Allrad-Version.
Mit dem ID.4 hat VW wieder ein Auto geschaffen, dass vor allem auf eine gewisse Bandbreite in der Verwendung ausgelegt wurde. Er passt ebenso für den Vertreter in gehobenem Status, für diverse Aufgaben im Berufsleben, in der aktiven Freizeit, wie für den geplagten Familienvater oder -Mutter. Dazu sieht er recht gut aus, ohne im Straßenbild allzu sehr aufzufallen oder gar angeberisch zu wirken. Er hat also das Zeug zu dem berühmten „Everybodys Darling“, wie eigentlich die komplette ID-Reihe, die im Verkauf hierzulande schon den Platzhirschen Tesla überholt hat.
Doch zurück zum ID.4. Die lässig wirkende SUV Optik mit einer fast Coupe-haften Seitenlinie sieht nicht nur gut aus, sie soll auch für die gerade für E-Autos notwendige Aerodynamik sorgen. Nebenbei sorgt sie auch für einen Innenraum mit einem großzügigen Raumgefühl. Unterstrichen wird der dezente Luxus-Trimm noch von schönen, großen Felgen und LED -Beleuchtung und Licht.
Derselbe Eindruck setzt sich auch nahtlos im Innenraum fort. Das mit 4,58 Metern Länge eigentlich durchaus kompakte Auto wirkt innen so luftig wie mindestens eine Klasse darüber. Für Fahrer und Beifahrer gibt es ordentliche Sitze mit dicken Armlehnen, dazwischen viel Platz, auch mit dicken Jacken und/oder breiten Schultern. Im Fond zwei gibt es Beinfreiheit auch für wirklich Erwachsene, auch der Abstand zu den Lehnen der Vordersitze geht in Ordnung. die den Namen wirklich verdient, ohne Mitteltunnel und mit viel Abstand zu den Vordersitzen. Bis rund 1,85 Meter Körpergröße passt dort auch die Kopffreiheit.
Das Material der Innenausstattung wirkt ebenfalls sehr wertig, die wenigen Teile aus hartem Kunststoff finden nur echte Nörgler. Dafür gibt es im ID.4 neue Designelemente, zum Beispiel die LED-Innenbeleuchtung mit bis zu 30 verschiedenen Farbtönen oder die wohnlichen Sitzbezüge.
Das Laderaumvolumen des ID.4 kommt auf 543 bis 1.575 Liter, das sind recht gute Werte für diese Größenklasse. Nach dem Umlegen der Fondlehnen entsteht eine nahezu ebene Fläche, darunter gibt es noch ein Ablagefach. Das Ladekabel kann dort aber nur untergebracht werden, wenn im Kofferraum kein Gepäck ist. Auf Reisen muss das Ladekabel in die seitlichen Kofferraummulden gelegt werden, denn einen Front-Trunk („Frunk“) gibt es im ID.4 leider nicht.
Praktisch ist die klassische Skidurchreiche, auch Trennnetze und Gepäcknetze sind für den ID.4 verfügbar. Wer noch mehr mitnehmen will, kann auf immerhin 1.200 Kilo Anhängelast zurückgreifen, kein sehr hoher Wert, aber ein Vorteil gegenüber anderen E-Autos, die gar keine Anhänger ziehen dürfen.
Neues gibt es auch am Armaturenbrett. VW hat das Cockpit voll digitalisiert, das bedeutet ein Abschiednehmen von den von Vielen geliebten Drehknöpfen. Das wirkt zwar optisch recht stimmig, wird aber Traditionalisten etwas abschrecken. Doch man hat sich trotzdem bemüht, eine gewisse Struktur in das Bedienmenü zu legen, die auch Unbedarften schnell klar wird. So gibt es im direkten Blickfeld des Fahrers hinter dem Lenkrad nur einen kleinen Bildschirm, der sich auf das Wesentliche konzentriert: Geschwindigkeit und Reichweite, beides in Zahlen dargestellt, sowie Navigationshinweise in Form von Pfeilen. Wenn das Head-up-Display wie bei unserem Testauto an Bord ist, bekommt man diese Informationen auch oben in die Scheibe eingespielt, das Instrumentendisplay braucht es dann gar nicht mehr. Die neue Nüchternheit ist nicht unangenehm, nur eine Prozent-Anzeige für den Akkustand fehlt unverständlicherweise.
Einen Schalthebel auf der Mittelkonsole sucht man vergebens, die Fahrstufen werden über einen kleinen Hebel hinter dem Lenkrad eingelegt. Möglichkeiten etwa zur stufenlosen Steuerung der Rekuperation sucht man vergebens.
An die Bedienung über den großen Touchscreen gewöhnt man sich ebenfalls schnell. Natürlich sucht man vorerst einige Funktionen eine Weile, aber nach einer kurzen Eingewöhnungszeit ist man schnell dabei, denn das Bediensystem ist sehr logisch aufgebaut. Und enthält nur wenige „Fallen“. Etwas mehr Übung benötigt die neue Lenkradfernbedienung, die ebenfalls von den klassischen Knöpfen abgerückt ist. Dass die Temperatur- und Laustärkenregelung nicht mehr mit Drehrädern, sondern mit Touch-Flächen funktioniert, ist etwas mühsam, aber auch daran gewöhnt man sich. Mit der Sprachsteuerung sollte man sich länger beschäftigen, aber irgendwann kommt man auch damit zurecht.
Im Gegensatz zu den Heckgetriebenen Modellen verfügt der „4Motion“ noch über einen zusätzlichen Antrieb mit 80 kW an der an der Vorderachse. Die Systemleistung gibt VW nun mit 210 kW, also 286 PS an, das Drehmoment ist auf 679 Nm gestiegen.
Nicht nur am Papier, auch in der Praxis kann dies durchaus gefallen, das Fahrgefühl ist wirklich großartig. Man gleitet lautlos dahin, das Auto wirkt dennoch sehr lebhaft, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in knapp sieben Sekunden erlebt man entspannt und fußfrei aus der ersten Reihe. Die auf 180 km/h beschränkte Höchstgeschwindigkeit von konnten wir nur kurz auf der deutschen Autobahn ausnützen, aber auch da verhält sich der ID.4 wie in sonst jeder Lebenslage- souverän. Der Grund dafür ist wohl beim adaptiven Fahrwerk zu suchen, das Unebenheiten jeglicher Art schluckt und bei der ausgezeichneten Geräuschdämpfung zum Innenraum. Für allzu sportliche Einlagen ist der ID.4 aber deutlich zu schwer, ebenso für beherzte Geländeeinlagen. Obwohl VW den 4Motion gerne als Kraxler auf allen Wegen verkaufen möchte, die mangelnde Bodenfreiheit sowie der eher nicht vorhandene Unterfahrschutz setzen allzu motivierten Ausfahrten ins Unbefestigte schnell ein Ende.
Trotzdem ist er natürlich ein angenehmer Begleiter auf verschneiten Straßen und auf Feldwegen aller Art. Gefallen kann neben der Langstreckentauglichkeit auch der relativ kleine Wendekreis, der das Leben in engen Garagen wesentlich erleichtert.
Seine uneingeschränkte Alltagstauglichkeit beweist der ID.4 auch hinsichtlich der Reichweite. In unseren Testzeitraum fiel die erste Kälteperiode dieses Winters mit Temperaturen weit unter -10 Grad. Von den laut WLTP versprochenen über 500 Kilometern war hier nicht ansatzweise die Rede, auch mit den von der Anzeige gleich nach dem Ladevorgang versprochenen 470 Kilometern blieb schon nach wenigen Metern nur mehr 350 übrig. Das reicht zum Beispiel für eine Fahrt ins Salzburger Land mit einmal kurz Nachladen in der Nähe von Linz, die knapp 30 Minuten Pause mit Kaffee haben auch dem Fahrer gutgetan.
Das bedeutet, in der Praxis kann man bei normaler Fahrweise und Wetterlage immerhin rund 450 Stadt-Kilometer, circa 400-Stadt-Überland-Kilometer und um die 300 Autobahn-Kilometer kalkulieren.
Wechselstromladen (AC) mit bis zu 11 kW – wie es an Wallboxen oder normalen öffentlichen Ladesäulen üblich ist – macht die Batterie in acht bis zwölf Stunden voll. Gleichstromladen (DC) auf der Autobahn geht mit bis zu 125 kW, man kommt in rund 30 Minuten auf 80 Prozent.
Für viele Fahrer sollte der ID.4 damit ein normales Alltagsauto sein, das man zwischendurch mal über Nacht nachlädt. Freie Ladenstationen sucht man vorab über die Handy-App oder das Multimediasystem im Auto, wobei in der Fremde ein kurzer Internet-Gegencheck nicht schadet, um zum Beispiel zu erfahren, ob die Ladesäule auf der Straße, bei einem VW-Audi Händler am (verschlossenen) Gelände oder in einer Garage steht.
Preislich liegt der ID.4 mit am oberen Ende der Fahnenstange, obwohl VW den Einstandspreis nun reduziert hat. So schlägt der ID.4 4 Motion laut letzter Aussendung nun bei exakt 49.490 Euro, mit kompletter Ausstattung, wie bei unserem Testfahrzeug landet man schnell bei über 60.000.
Fazit
Der ID.4 ist ein rundes Angebot, hinsichtlich des Fahrens, des gebotenen Komforts und der Alltagstauglichkeit. Beeindruckt hat, dass er auch bei eisigen Temperaturen immerhin eine respektable Reichweite offeriert und auch das Laden selbst etwa an einer Schnellladestation nicht zu viele Zeit in Anspruch nimmt. Der Preis wurde nun reduziert, die bei VW übliche lange Aufpreisliste ist nervig.
Der Wagen befindet sich in der Energieeffizienzklasse A+. Das bedeutet, dass das Auto durchschnittlich weniger als 37% CO2 ausstößt als ein vergleichbarer Wagen mit 2057kg . Für die Berchnung ist nur das Gewicht des Wagens, nicht aber die Leistung (kW/PS) relevant. Dieser Wert sagt nichts über den Verbrauch (Liter/100km oder kwh/100km) des Wagens aus. Der Wert zeigt nur, dass der Wagen im Vergleich zu einem Wagen mit identischen Gewicht mehr oder weniger Treibstoff benötigt. |