Mit der Puch SG und SGS stellte die österreichische Traditionsmarke das wohl erfolgreichste und zugleich das letzte wirkliche „große“ Straßen-Modell auf die Räder. Auch die langjährige Ära der Doppelkolben-Zweitakter war damit Geschichte.
„Die österreichische Überraschung des Pariser Salons“ so betitelte die Fachpresse 1953 die Vorstellung der neuen Die Puch 250 SGS. Sie sollte die bisherige 250 TF ablösen. Interessanterweise stellte man das Sportmodell (SGS steht für „Schwinggabel Sport“) ein Jahr vor der „normalen“ SG vor, ein Umstand, der bis heute Rätsel aufgibt. Für die österreichische Marke war die neue 250er eine große Hoffnung und auch ein gewisses Risiko. Österreich litt noch immer unter den Auswirkungen des 2. Weltkrieges und war von vier Mächten besetzt. Auch in Deutschland, dem wohl größten ausländischen Abnehmer, war die Situation nicht anders. Die Bevölkerung hatte nur das Allernotwendigste und kaum Geld für den Luxus eines neuen Motorrades oder gar Automobils, man war froh, wenn man ein Motorrad aus der Zeit vor dem Kriege herüberretten konnte. Daher war die Entscheidung, ein so hochwertiges Motorrad wie die 250 SG/S zu entwickeln mutig, gleichzeitig aber auch von Weitsicht und unbändigem Vertrauen in eine gute Zukunft getragen. Wer also würde sich ein derartiges Motorrad leisten können? Und kam es überhaupt an? Die Konkurrenz aus Italien und auch Deutschland war je groß genug.
Doch die Neue wurde sofort gut von der Fachpresse aufgenommen. Der Schalenrahmen aus Pressblech, die üppig dimensionierten Trommelbremsen in den 16 Zölligen Rädern wurden genauso gelobt wie der Puch-eigene Doppelkolben-Zweitakter, bei dem sich zwei knapp hintereinander laufende Kolben einen Brennraum teilen. Vom Italiener Giovanno Marcellino bereits 1923 entwickelt, sorgt dieses Prinzip für eine Nutzung des sonst ausgestoßenen Frischgases und damit für weniger Verbrauch und vor allem mehr Drehmoment. Eine Eigenschaft, die vor allem im bergigen Westen Österreichs ein großer Vorteil war und ist. 16,5 PS bei 5.800 U/min bei einem maximalen Drehmoment von 22,5 Nm war für die damalige Zeit ein respektabler Wert. Dasselbe Drehmoment, aber nur 13,8 PS lieferte der Motor der SG.
Entsprechend gut fielen auch die ersten Tests Der Fachpresse aus. So wurde die Wendigkeit mit den kleinen Rädern ebenso hervorgehoben wie die Durchzugsfreudigkeit des Motors. Nur im Gelände und auf schlechten Straßen hätte sich mancher Tester größere Räder gewünscht. Interessant auch die Ergebnisse eines Dauertests über 25.000 Kilometern. Obwohl das Motorrad laut Bericht zwei Jahre lang faktisch keine Pflege erfuhr und optisch daher in nicht mehr ganz frischen Zustand war, überstand sie die Tortur ohne weitere Probleme. Und das, obwohl sie zuweilen auch mit Beiwagen und oder im Gelände gefahren wurde. Nur Kleinigkeiten wie das „Entrußen“ der Auspufftöpfe oder Kerzenwechsel wurden regelmäßig gemacht, sonst gab es nach zwei Jahren keine ernstzunehmenden Reparaturen.
Die Puch 250 SG wurde schon bald nach Erscheinung von zahlreichen öffentlichen Organisationen eingesetzt, so auch von Polizei, Gendarmerie und der österreichischen Post. Der Bedarf an Polizeimotorrädern war besonders in der Bundeshauptstadt Wien groß. Die Motorräder wurden als Patrouillenfahrzeuge, zur Begleitung von Schwertransporten und zur Eskortierung hoher Staatsgäste benötigt. Die Puch 250 SG versah in Wien ab Mitte der 1950er Jahre bis weit in die 1970er Jahre brav ihre Dienste. Sie stand aber stets ein wenig im Schatten der „großen“ BMW 500 Boxermotorräder, denen die Eskortierung der hohen Persönlichkeiten vorbehalten war. Die Stärken der Puch lagen in ihrer Robustheit und Wendigkeit, was sie sowohl für den Patrouillendienst im dichten Stadtverkehr, als auch als Ausbildungsfahrzeug prädestinierte. Auch bei der Gendarmerie war die SG im Einsatz. Die Behördenausrüstung mit Windschild, Sturzrahmen, Sirene, Blaulicht und Koffer sorgte für imposante Erscheinung, erhöhte allerdings den Luftwiderstand und das Gewicht derart, dass die Fahrleistungen darunter litten. Bei der Wiener Polizei wurde besonders unter dem damaligen MOT – Chef Robert Schwarz, Insidern war er als „Blacky“ bekannt, großer Wert auf gute Fahrausbildung gelegt. Ein Gutteil der Ausbildung fand im Gelände statt, um die Maschinenbeherrschung in möglichst jeder Situation zu trainieren. So wurden die Polizisten zu Motorradakrobaten, die ihr Können an manchen Sonntagen im Vorprogramm zu großen Fußballmatches zeigten. Die Motorradpyramide und der Sprung durch den brennenden Reifen gehörten zum Standardprogramm.
Auch als Pannenfahrzeug für die Auto- und Motorradfahrerclubs ARBÖ und ÖAMTC wurden die SG in den Dienst gestellt. Sie wurde mit einem Beiwagen versehen, dessen Boot als große Werkzeugbox ausgebildet war. Durch die grellgelbe Fahrzeuglackierung und ihr Hilfe in der Not wurden Pannenhelfer des ÖAMTC auf Ihren Puch Motorrädern bald als gelbe Engel bezeichnet.
Als Highlight stellte Puch noch 1956 die Elektrostartermodelle 250 SGA und SGSA vor. Den Startvorgang übernahm hier ein sogenannte „Pendelstarter“ der den Motor nicht durchdrehte, sondern ihn hin- und herpendeln ließ. Dieses von Bosch entwickelte System war jedoch sehr unzuverlässig und es wurden nur ein paar hundert Stück damit ausgerüstet. Damit ging die Weiterentwicklung der 250er Puch Motorräder vorläufig zu Ende, bis 1966 wurden sie praktisch unverändert gebaut. Die SG und SGS verwandelte sich in dieser Zeit vom Spitzenmotorrad zum angestaubten Ladenhüter, nicht zuletzt auch wegen der nun vermehrt auftretenden Konkurrenz aus Japan. Bis im Jänner 1967 ein Händlerrundschreiben einen Relaunch ankündigte. Vermutlich wurde dieser durch den Bundesheerauftrag für die 250 MCH angeregt. Einige optische Änderungen wie der neue MCH Tank, ein schmaler Vorderradkotflügel, höherer Lenker, neue Sitzbank und zweifärbige Lackierung, verliehen der 250er Puch ein zeitgemäßeres Outfit. Die neuen Modelle hießen jetzt 250 SG III bzw. SGS III Die Verkaufszahlen gingen kurzfristig nochmals nach oben um 1969 total abzusacken, 1970 war dann endgültig Schluss.
Mit zusammen knapp 76.000 produzierten Maschinen war die SG nach der SV die zweiterfolgreichste Puch Motorrad Modellreihe. Vor allem im ländlichen Gebieten wurde die SG noch bis weit in die Achtziger Jahre verwendet, neben dem Altbauern, der seine tägliche Erledigungen mit der SG bestritt, waren es auch in den Städten die Studenten, die die um einiger Hunderter (Schilling wohlgemerkt) gekaufte oder vom Onkel geschenkte „Puchetten“ noch lange verwendeten. Die Firma Puch war damals schon ein Schatten ihrer selbst und verschwand, nicht ohne unrühmliche Beteiligung der Politik, 1987 komplett vom Markt.
70 Jahre nach ihrer Geburt überzeugt die SG noch immer mit den Qualitäten von damals. Das recht gute Drehmoment, das handliche Fahrwerk und die auch für heutige Verhältnisse guten Bremsen bestehen auch im heutigen, hektischen Verkehr, nur die recht früh aufsetzenden Fußrasten begrenzen zuweilen Fahrspaß und Schräglage. Der Verbrauch von etwa 5 Litern auf 100 Kilometer hält sich für ein Zweitaktmotorrad in Grenzen. In Verbindung mit dem gut 12 Liter fassenden Benzintank ergibt sich eine tourentaugliche Reichweite. Kurzum, mit der SG kann man, wenn Autobahnen und Schnellstraßen gemieden werden, noch immer auf große Reise gehen. So etwa bei den jahrelang stattgefundenen RBO Reisen, die über sämtliche Alpenpässe Österreichs und Südtirols durch die Toskana, und bis Polen oder Kroatien führten.