IMAG0004Die Geschichte von Moto Rumi ähnelt denen sehr vieler italieneischer Industriebetriebe im 20. Jahrhundert. Die Rumi S.p.A wurde Anfang 1900 von der Familie Rumi in Bergamo, Italien als Gießereibetrieb gegründet. Man war sehr erfolgreich in der Herstellung von gegossenen Komponenten für die Strick- und Textilmaschinenindustrie und stellte nach dem ersten Weltkrieg auch komplette Maschinen her, die bis nach Argentinien vertrieben wurden.

Während des zweiten Weltkriegs kamen Propeller, Periskope, Schiffsanker, Torpedos und sogar Klein U-Boote für die Marine ins Programm, nach dem auch für Italien verlorenen Krieg war aber damit schlagartig Schluss.

In den ersten Jahren der Nachkriegszeit wurde die Produktion im Bereich von Maschinen für die Lebensmittelindustrie, Filmindustrie und Textilindustrie wieder aufgenommen. 1948 wurde Rumi SpA von Donnino Rumi (1906–1980), dem Sohn des Firmengründers, übernommen und weitergeführt. Donnino war ein Feingeist und im Herzen eigentlich ein begnadeter Künstler. Angesichts der hohen Nachfrage von Fahrzeugen für die Volksmotorisierung entschied Donnino Rumi, den Bau von Motorrädern zu starten. Er beauftragte den bekannten Designer und Konstrukteur Pietro Vassenna mit der Entwicklung von Motoren und dem Design von Fahrgestellen. Vassena war zuvor schon im Bereich des Motorsports bei Bicimotore Faini erfolgreich tätig.

IMAG0011Die Motorradproduktion begann 1949. Die ersten beiden Prototypen wurden auf der Messe 1950 in Mailand vorgestellt, die Serienfertigung begann unmittelbar nach der Messe. Die Besonderheit der Rumis war der Zweizylinder Zweitaktmotor mit „nur“ 125cm³ Hubraum, eine Bauart, die sich erst wieder bei Italjet, Jahrzehnte später wiederfand. Neben den Motorrädern und einem Lastendreirad kamen recht schnell auch Roller ins Programm, denn verkleidete Zweiräder waren gefragt. Sie waren ebenfalls mit dem liegenden Zweizylinder ausgestattet und recht eigenwillig, aber durchaus ansprechend gestylt. Die Scoiattolo (das Eichhörnchen) und vor allem die Formichino (die Ameise) bestachen auch durch Details wie etwa relativ große Räder, die sie auch den schlechten Straßen außerhalb der Städte wesentlich sicherer machten als die herkömmlichen Roller, die teilweise mit kleinen Achtzöllern bestückt waren.

Rumi 52 2Auch in Österreich fand sich schnell Interessanten und natürlich auch ein Importeur. Das Autohaus Hohe Warte übernahm den Import bereits 1951 und baute auch recht schnell ein Händlernetz auf, 1955 übernahm dann Josef „Joschi“ Faber, der mit seinen Jawas aus der Tschechoslowakei schon auf ein gut funktionierendes in ganz Österreich tätiges Händlernetz zurückgreifen konnte. Verkauft wurden neben den beiden Rollern auch die Motorräder von Rumi wie etwa die Super Sport. Sehr schnell empfanden sich die Rumi Fahrer als eine Art Elite, denn die Fahrzeuge waren nicht nur schnell, sondern auch teuer, immerhin kam eine Formichino auf satte 11.400 österreichische Schillinge, das rückte den Achtelliter -Roller schon in die Nähe von ausgewachsenen Halbliter-Bikes. 1955/1956 wurde der erste Rumi Club in Wien gegründet mit dem Stammcafe Piccolo auf der Favoriten Straße. Man unternahm gemeinsame Ausfahrten und besuchte auch Rennen, bei denen ebenfalls Rumis kräftig mitmischten. Die stolzen Besitzer schwörten auf ihre Rumis und lobten den kräftigen Durchzug am Berg und vor allem auch den Sound.

Rumi 21 2Hier gibt es eine lustige Anekdote am Rande, die mir einmal der leider schon verstorbene Joschi Faber in einer launigen Stunde erzählte. „Anfang der Sechzger Jahre habe ich ein Radiowerbung für ein neues Jawa Motorrad in Auftrag gegeben, hier waren wir ja auch Importeur,“ erzählte Faber „ Die Leute vom Aufnahmeteam ließen bei uns vor der Werkstätte in der Kirchstetterngasse in Wien Ottakring das besagte Motorrad auf- und abfahren und machten Aufnahmen, denn der Sound der Maschine sollte das Kernstück der Werbung sein. Der Klang war dem Radioregisseur aber einfach zu „brav“ und er überlegte, was man machen könnte um die Einschaltung attraktiver zu gestalten. In dem Moment startete ein Mechaniker in der Werkstatt bei offener Tür eine Rumi. Wie elektrisiert sprang der Radiomann von seinem Regiestuhl auf und schrie: „Das ist es!“ Und so musste die Rumi für die Jawa- Werbung herhalten. Insider wussten natürlich was hier geschehen war und die Szene hatte wieder Gesprächsstoff.

Im Werk in Bergamo wurden 1962 die letzten Zweiräder hergestellt, die Konkurrenz etwa von Piaggio und in Österreich von Puch, Lohner oder KTM war einfach zu groß und die Kunden stiegen massenweise aufs Auto um.

Formichino Zlamalik 17 KopieDer Faszination „Moto Rumi“ tat die keinen Abbruch im Gegenteil. Bis heute gibt es eine rege Szene rund um die schnellen kleinen Zweiräder aus Bergamo. In Österreich ist dies unter anderem Werner Zlamalik. Der gelernte Mechaniker, der bei Lohner seine Lehrjahre absolvierte, war von Anfang an dabei und beschäftigt sich seit den frühen Sechzigern mit Rumis. Vor allem die Roller haben es dem mittlerweile 78 Jährigen angetan und mittlerweile befinden sich wohl so um die dreißig Stück, viel davon fahrbereit, in seinem Besitz. Er ist einer der Ansprechpartner, wenn es im Rumis geht, nicht nur in Österreich, sondern auch im Ausland. Und erhofft, dass die Faszination, den diese Bikes bis heut ausstrahlen, auch weiterleben wird. Sie haben es verdient….

 

 

 

FahrzeugeMotorradMoto Rumi in Österreich: Geliebt, laut und teuer