Bereits 1901 rollte das erste Opel Motorzweirad aus den Hallen der Fabrik in Rüsselsheim, die Marke mit dem Blitz im Logo produzierte damit zwei Jahre früher Bikes als Harley Davidson. Etwa 20 Modelle wurden in den folgenden drei Jahrzehnten auf den Markt gebracht, darunter auch welche mit aufgeschweißten Vierventilköpfen und Wasserkühlung. Das bemerkenswerteste aber war ohne Zweifel das letzte: die Motoclub.

1928 geht es Opel richtig gut. Europa scheint die Nachwirkungen des ersten Weltkrieges überwunden zu haben und die Verkäufe der Autos und Fahrräder laufen blendend. Die Umstellung auf Fließbandproduktion nach amerikanischem Vorbild hat geklappt und so sucht man neue Investmentgebiete wie etwa die Wiederaufnahme der vor einigen Jahren eingestellten Motorradproduktion. Da kommt der Erfinder und Konstrukteur Ernst Neumann Neander gerade richtig. Er bietet den Rüsselsheimern seinen „Einheitsrahmen“ an, der genial aufgebaut ist. Im Gegensatz zum herkömmlichen Motorradrahmen besteht er nicht aus nahtlos gezogenen Rohren und Schmiedeteilen, die aufwendig verschweißt oder gar gemufft und verlötet werden müssen, sondern aus gepressten Stahlprofilen, die zusammengenietet werden. Die Produktionszeit eines Motorrades verringert sich dadurch von etwa 20 auf 4 Stunden! Doch nicht nur das: die Konstruktion dieses Rahmens ist wegweisend. Eine gerades Pressteil verbindet Lenkkopf und Hinterrad  (Eine Schwinge gab’s damals noch nicht), zudem sitzt der Fahrer in und nicht auf dem Motorrad auf einem aufblasbaren Sitzkissen. Vor ihm wölbt sich der Tank kuppelförmig auf, ganz wie bei einem modernen Bike. Das Fahrgestell wird nicht lackiert, sondern mit (heute als hochgiftig eingestuftem) Cadmium beschichtet, um eine lange Lebensdauer zu garantieren.

 

 

Bei Opel greift man sofort zu und erwirbt eine Lizenz. Im Gegensatz zu Neander, der bei seinen eigenen Fahrzeugen herkömmliche Einbaumotoren verwendet, baut man eigene Triebwerke. Zuerst gibt es einen seitengesteuerten Einzylinder mit 16 PS, später soll ein Sportmodell mit Kopfsteuerung und 22 PS kommen. Die Motorräder schlagen in der Fachwelt ein wie eine Bombe. Die Opels mit ihren silbernen Rahmen und vor allem auch den roten Reifen und Gummis an den Fußrasten und Lenkerenden müssen damals gewirkt haben wie vom Mars. Doch damit nicht genug. Fritz von Opel, schon damals bekannt für seine Raketenversuche mit Autos und Flugzeugen, will auch eine Motoclub befeuern und den damals bei etwa 190km/h liegenden Geschwindigkeitsrekord brechen. Zuerst soll das Motorrad mit dem herkömmlichen Motor auf etwa 120 km/h gebracht und dann die Raketen gezündet werden. 220 km/ erhofft man so zu erreichen. Da es keine genügend langen Geraden auf den damaligen Rennstrecken gibt, soll das Vorhaben auf einer gesperrten öffentlichen Strecke zwischen zwei Dörfern stattfinden. Doch die Behörden, die offensichtlich von der (nicht unbegründeten) Angst getrieben werden, eine bemannte zweirädrige Rakete könnte außer Kontrolle geraten und irgendwo im bewohnten Gebiet oder unter den zahlreichen Zuschauern einschlagen, verweigern ihre Genehmigung. So kommt es nur zu einer Demonstrationsfahrt des Rennfahrers Otto Lührs auf einer Radrennstrecke mit einem mit inzwischen 14 Raketen bestückten Modell. Sie dauert nur einige Sekunden und zeigt das Potential, dass in dieser Konstruktion steckte.

Der Motoclub selbst war übrigens auch kein langes Leben beschieden. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise 1929 gerät auch Opel ins Trudeln und wird schließlich an General Motors verkauft. Die Amerikaner verkaufen zuerst die zu Opel gehörigen Elite Diamant Werke, wo die Motoclub gefertigt wird. Das ist der Todesstoß für die Motorradproduktion bei Opel, die Firma wird nie wieder selbstständig werden. Heute gehören Opel Motorrädern zu raren Sammlerstücken, unter  10.000 Euro ist auch ein Wrack fast nicht mehr zu bekommen….       

FahrzeugeMotorradOpel Motoclub – Raketen und rote Reifen